Die 90 jährige Zeitzeugin Antje Kosemund (Stiftung Ausschwitzkomitee) musste Ihre Teilnahme an der heutigen Demo zwar aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig absagen. Sie hat den Rosenheimer #noafd Bündnis jedoch ein Grußwort geschrieben:
Liebe Rosenheimer, liebe Mitmenschen,
Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten,
es ist mir leider nicht möglich, mich an der heutigen Demonstration in Rosenheim zu beteiligen, was mich nicht daran hindern wird, gegen die Eröffnung eines Bürgerhauses der AfD in der Erlenau, gemeinsam mit euch zu protestieren. Es ist ungeheuerlich, dass nach den furchtbaren Erfahrungen des 2. Weltkrieges, angesichts der unvorstellbaren Grausamkeiten während der 12jährigen Schreckensherrschaft des NS-Regimes, eine rechtsradikale Partei im Parlament Einzug halten konnte. Wie konnte es dazu kommen, dass eine Partei mit Hetze gegen Migranten und Flüchtlinge, mit nationalistischen Parolen so erfolgreich Wählerstimmen gewinnen konnte?
Die Politik der CDU, CSU, SPD und FDP Regierungen hat unter anderem durch eine verfehlte Sozial-und Bildungspolitik sicher dazu beigetragen, dass viele Menschen sich ohne Chancen auf Verbesserung ihrer Lebenssituation erlebt haben. Anscheinend hat es aber auch immer schon ein Potenzial von Deutschen gegeben hat, die Anhänger der NS-Ideologie geblieben sind, oder den Wunsch nach einer starken Führungspersönlichkeit haben.
Deshalb ist es wichtiger denn je, in dieser Zeit, in der die neuen Rechten auf dem Vormarsch sind, Widerstand zu leisten!
Ich gehöre zu der Generation, die den Hitler-Faschismus erlebt und erlitten hat. Ich habe im Mai 1933 die nächtliche Verhaftung meines Vaters erlebt, der schon vor der Machtübergabe an die Nazis, mit dem antifaschistischen Kampfbund in Hamburg gegen den aufkommenden Faschismus Widerstand leistete. Wir haben die Bombenangriffe, die Einschränkungen der Kriegszeit durchstehen müssen. Wir Geschwister wussten genau, dass nichts aus der Familie nach draußen erzählt werden durfte. Auch wenn die Erwachsenen, in ihre Äußerungen vorsichtig gewesen sind, so merkten wir wohl, dass die Großeltern, Onkeln und Tanten das NS-Regime ablehnten, was zur Folge hatten, dass wir Kinder in der Schule, oder wenn wir zum Hitler-Jugenddienst antreten mussten, auf unsere Worte achten mussten. Erst nach der Befreiung haben wir Kinder erfahren, dass mehrere Familienangehörige, wegen ihres poltischen Widerstands, zu Gefängnis und KZ.-Strafen verurteilt, oder im Untergrund leben mussten.
Heutzutage müssen wir uns mit der hässlichen Fratze der AfD auseinander setzen, einer Partei, die nicht nur für mich, und für die wenigen noch lebenden Opfer der Nazibarbarei eine unerträgliche Zumutung ist. Ein Beispiel für die Nähe zum Totalitarismus ist die Aufforderung an die Schülerschaft, Lehrer, die sich kritisch gegenüber der AfD äußern auf einem AfD-Portal zu denunzieren.
Mit großer Aufmerksamkeit und Genugtuung erlebe ich, wie sich immer mehr Menschen gegen die Neue Rechte zusammen tun, ihren Protest laut und deutlich äußern.Die Ablehnung gegen die AfD, gegen ihre faschistoiden Thesen und gegen die Hetze auf Migranten und Flüchtlinge dieser radikalen Rechten, ist ein gutes Zeichen dafür, dass die Mehrheit der Bürger sich für ein solidarisches Miteinander einsetzen.
Wie inhuman das Denken der Neonazis ist, lässt sich auch anhand der Reden ihrer Führer festmachen, mit einigen Zitaten aus den Hassreden, ist die inhumane Gesinnung dieser Leute zu erkennen : Nach der Bundestagswahl 2017, als der Einzug der AfD in das Parlament feststand, sagte ihr „ Führer „ Alexander Gauland, :“ Wir werden sie jagen !“ Markus Frohmeier, Vorsitzender Jungen Alternative :“ Ich sage diesen linken Gesinnungsterroristen, diesem Parteifilz ganz klar, wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet. Dann wird wieder Politik für das Volk und nur für das Volk gemacht—denn wir sind das Volk.“
Das ist eindeutig Nazijargon, und glaubt es mir, liebe Freundinnen, liebe Freunde, wer als Jugendliche die Reden von Josef Göbbels im Radio gehört hat, weiß welche Folgerungen derartige Reden nach sich ziehen. Ein anderes führendes Mitglied der AfD, Andre Poggenburg sagte : “ Linksextreme Lumpen müssen von den deutschen Hochschulen verbannt und statt einem Studienplatz praktischer Arbeit zugeführt werden!“, und am5. Febr. 2018: “ diese Kümmeltürken sollten sich dahin scheren, wo sie hingehören, weit, weit, weit hinter den Bosporus, zu ihren Lehmhütten und Vielweibern!“ Und glaubt es, diese widerlichen Aussagen sind nicht nur dahingesagt, es sind konkrete Vorstellungen der AfD , wenn sie erstmal die Macht hätten, sie zu verwirklichen. Aber auch die weiblichen Führungskräfte kotzen (Pardon) sich aus, Alice Weidel ließ verlautbaren: “ Diese Schweine ( gemeint ist die Regierung ) sind nichts anderes als Marionetten der Siegermächte des 2. Weltkriegs und haben die Aufgabe das deutsche Volk kleinzuhalten: “ Es ist wahrlich keine Freude, diesen Schmutz hier zu wiederholen, aber es ist wichtig zu wissen, wie unsere Gegner denken und reden!
Die meisten meiner alten Mitstreiter*innen, Antifaschist*innen sind verstorben. Meine alte Freundin, Esther Bejerano, die immer noch aktiv und unermüdlich gegen die Neofaschisten ihre Lieder singt, durch die Bundesrepublik reist, um vor allem den jungen Menschen von ihren Erfahrungen in den Konzentrationslagern Auschwitz und Ravensbrück zu berichten, sie ist ein Vorbild für uns, das Unrecht laut und mutig beim Namen zu nennen. Wir, die den Faschismus in seiner Brutalität erlebt haben wissen, dass wir nur Denkanstöße geben können, dass jeder Mensch für sich entscheiden muss, wo er steht, wohin ihn der Weg führt.
Unser Engagement ist ein Kampf für Menschlichkeit, für gesellschaftliches Bewusstsein, gegen Krieg, gegen das Vergessen und für die Achtung der Menschenwürde.
Esther, sie wird heute 94 Jahr, sagte in einer ihrer Reden: “ Ich werde gegen den Faschismus kämpfen, solange ich atmen kann!“
Das versuche ich auch! Wir, die letzten Zeitzeugen, haben die Pflicht zu verhindern, dass die unglaublichen Verbrechen der Nazidiktatur, Völkermord und Krieg, verharmlost und vergessen werden! Das, was wir heute tun können, ist alles daran zu setzen, wachsam zusein und jede Tendenz, jedes Aufleben von nationalsozialistischem Gedankengut sofort zu erkennen und zu bekämpfen!
Wenn ich als Zeitzeugin in Schulen über die Verbrechen des Naziregimes erzähle, ist es mir wichtig die jungen Menschen zu ermuntern, Unrecht nicht hinzunehmen, ihnen zu sagen, dass sie eines Tages, für die Welt in der sie leben, Verantwortung für die Zukunft übernehmen müssen. Aber, wie sind wir, wie ist Politik, Wirtschaft, wie ist die Gesellschaft mit ihrer Verantwortung für die Zukunft der nachkommenden Generationen umgegangen?
Durch das Verhalten der Menschen in den vergangenen Jahrzehnten, vor allem in Europa und in den USA, haben wir durch die Geldgier der Konzerne, durch Gedankenlosigkeit, Verschwendung der Ressourcen und Egoismus den kommenden Generationen eine zerstörte Umwelt hinterlassen. Eine nicht wieder gutzumachende Hinterlassenschaft.
Dazu ein Zitat von Bertolt Brecht: “ Die Bürger werden eines Tages nicht nur die Worte und
die Taten der Politiker zu bereuen haben, sondern auch das furchtbare Schweigen der
Mehrheit!“ Diese Aussage ist noch immer aktuell, wir werden es ändern; wir MÜSSEN das
ändern!! Heute, morgen und immer wieder, wo es notwendig ist. Ich wünsche euch allen
viel Erfolg und einen langen Atem auf dem Weg in eine bessere, gerechtere, solidarische und
liebevolle Welt.
Antje Kosemund,
Rosenheim, am 15 Dezember 2018
Zum Schluss noch dieses:
Ihr aber lernet, wie man sieht, statt stiert.
Und handelt, statt zu reden noch und noch.
Sowas hätte einmal fast die Welt regiert.
Die Völker wurden seiner Herr, jedoch,
Dass keiner uns zu früh da triumphiert.
Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.
(Bertolt Brecht)